Eine musikalische Erzählung

Nach dem Dylan-Musical nun also "Rio Reiser - König von Deutschland - Eine musikalische Biographie" im Badischen Staatstheater. Erzählt wird die musikalische Karriere von Rio Reiser, beginnend mit der Gründung der "Ton, Steine, Scherben", über Rios Solo-Karriere bis zu seinem Tod 1996.
Die Inszenierung verwendet einen ähnlichen Aufbau wie beim Dylan Musical: Songs stehen im Vordergrund und 2 Reporter erzählen das Drum-Herum.

Die Handlung spielt im Wesentlichen an 2 Orten: in der Berliner Scherben Kommune und dann in der Fresenhagener Kommune in Nordfriesland. Die Live Band, die gleichzeitig schauspielerte, brachte sowohl die Scherben Songs, als auch Rios Solo Lieder gut rüber, wobei der Schlagzeuger besonders hervorzuheben ist, musste er doch in Personalunion alle 5-6 Schlagzeuger der Scherben darstellen. Klar, die musikalische Produktion war an heutige Hörgewohnheiten angepasst und natürlich wurden nicht die Originalarrangements verwenden da die beiden Reporter zum klassischen Rock-Band Line-Up noch eine Geige und ein Cello hinzufügten. Meist waren die Arrangements gar nicht schlecht - bei "Alles Lüge" allerdings passte es nicht so richtig.

Etwas gewöhnungsbedürftig war allerdings der Ansatz, die Lieder nicht chronologisch, zur dargestellten Zeit passend, anzuordnen, sondern eher stimmungsabhängig zu verwenden. So wurden sehr viele Songs aus Rios Solophase in der Scherben Zeit gespielt.

Jan Andreesen verkörperte Rio Reiser sehr gut - die Stimme ist ähnlich, hier und da fehlte es vielleicht etwas an Rios Schnodrigkeit- das machte er aber durch seinen Einsatz mehr als wett. Humor durfte auch nicht fehlen: jeder, der einmal in einer WG gewohnt hat wird sich in der Szene wiedererkennen, in der die Scherben über ihren Bandnamen basisdemokratisch abstimmten. Manches wirkte aber etwas aufgesetzt und ging mehr in Richtung Klamauk, wie z.B. die Darstellung der Grünen-Ikone Claudia Roth, die Anfang der 80ger für kurze Zeit die Scherben managte.

Die Scherben Phase wurde recht stimmig dargestellt, die Studentenproteste und die Vereinnahmung der Band durch die linke Szene mit ihren unzähligen kommunistischen Splittergruppen war nett anzusehen. Gut in Szene gesetzt auch der Moment, in dem Rio musikalisch auf "den Strich" geht und bei "König von Deutschland" Playback-singend den Hampelmann geben soll. Hier wurde auf die ohnehin schon sehr 80ger Jahre-mässige Produktion von "König von Deutschland" noch eins drauf gesetzt, sodass es schon fast nach Modern Talking klang.

Das Innenleben der Band , ihr Konflikte untereinander, mit ihren Managern und den Erwartungen der linken Szene wurden sehr gut dargestellt - hinter all dem blieb der Mensch Rio Reiser bei dieser Inszenierung aber seltsam blass. Das war vielleicht das einzige Manko des ansonsten sehr gelungen Abend. Standing Ovations gab es, und viele Zugaben, ganz am Ende sang dann Jan Andreesen allein am Flügel "Halt dich an deiner Liebe fest" - wunderschön!