Because the night...

Seit ein paar Jahren ist ein Trend im Rockbusiness zu beobachten: Wichtige Alben werden 20, 30 oder 40 Jahre nach ihrem Erscheinen noch mal neu mit einem Haufen Schnick-Schnack veröffentlicht und / oder die Künstler spielen im Rahmen einer passenden Tour das Album komplett live. 40 Jahre ist es nun her, dass Patti Smith 1975 ihr Debütalbum "Horses" veröffentlicht hat und so nennt sie ihre aktuelle 2015erTour auch "Patti Smith and her band perform Hors es".

Ich muss zugeben: von Patti Smith kannte ich bisher nur ihre Hits, das Debütalbum "Horses" habe ich mir erst kurz vor dem Konzert im Rahmen des diesjährigen Zeltivals zum ersten Mal angehört und war gespannt, aber auch skeptisch, was mich live erwarten würde, denn leichte Kost ist das nicht alles, was auf "Horses" geboten wird. Das ausverkaufte Tollhaus begrüßte Patti Smith und ihre Band um Punkt 20:30 frenetisch und ich war beeindruckt, welche Energie und Präsenz die inzwischen 68 Jährige ausstrahlte, bevor auch nur ein Ton gespielt bzw.gesungen wurde.

Los ging es dann zunächst Verhalten mit Pianobegleitung mit den berühmten Zeilen "Jesus died for somebody's sins, but not mine" vom ersten Song von "Horses", nämlich "Gloria", einer Mischung aus einem eigenen Lied und Van Morissons "Gloria". Nicht nur hier gab es einen Bezug zur Relgion, denn der ganze Auftritt von Patti Smith hatte etwas Predigerhaftes im Sinne einer Gospelmesse an sich. Und dann wurde wirklich das komplette "Horses" Album gespielt in exakt der Reihenfolge wie auf dem Album. Patti Smith wies sogar in einer ihrer Ansagen (nach "Free Money") darauf hin, dass nun die A-Seite zu Ende sei und man gedanklich die Platte umdrehen müsse. Live sind diese Songs wirklich ein Erlebnis, was auch an der exzellenten Band lag, die Patti Smith begleite: Lenny Kaye (Gitarre) und Jay Lee Daugherty (Schlagzeug) waren schon 1975 dabei, ferner wirkte noch Bassist Tony Shanadan mit sowie ein weiterer Musiker mit, dessen Name ich nirgends finden konnte. Interessant war auch die Tatsache, dass die Band die Instrumente durchwechselte, sodass letzten Endes an diesem Abend jeder mal den Bass spielte, sogar der Schlagzeuger!

Aber klar: im Mittelpunkt stand Patti Smith, die oft als "Godmother of Punk" bezeichnete Künstlerin, die an diesem Abend alle Facetten bot: von nett-zum-Publikum bei den Ansagen bis hin zu wütenden Statements in den Songs, in denen sie weniger singt, als eher rezitiert.Ihre Stimme hat übrigens in all den Jahren nichts von ihrer Kraft und Faszination eingebüßt. Nach knapp einer Stunde war dann "Elegie", das letzte Lied des Albums erreicht, in dem Patti Smith dann viele ihrer inzwischen verstorbenen Weggefährten aus der Punk und Rock Szene, aber auch andere Künstler, aufzählte und ihrer gedachte. Der Refrain von Gloria wurde dann angehängt um somit  die Aufführung von "Horses" zu beenden.

Weiter ging es dann zunächst ohne Patti Smith mit einer Art Medley aus "Velvet Underground" Songs, bevor dann Patti Smith mit "People have the Power" von ihrem Comeback Album "Dream of life" aus dem Jahre 1988 wieder dazukam. Danach kam einer der Höhepunkte der Show: ein mir bis dato unbekannter Song, der mit akustischen Gitarren begann und später sich durch Hinzunahme von Drums und elektischer Gitarre start entwickelte.Klar: "Because the night" wurde auch gespielt, trotzdem gab es jetzt keine Greatest Hits Show, denn "Frederick" und "Dancing Barefoot" fehlten.

Als letzte Zugabe gab es dann den Who Klassiker "My Generation", mit leicht geändertem Text, musikalisch aber ganz in der Punk Tradition. Und zum Ende des Songs, zu dem früher Pete Townsend seine Gitarre zertrümmert hat, gab es eine Feedback Orgie, zu der sich Patti Smith zusätzlich zu ihren 2 Gitarristen die E-Gitarre umschnallte und den Song nicht eher beendete, bis wirklich alle 6 Saiten gerissen waren.

Fazit: großes Konzert einer faszinierenden Künstlerin samt grandioser Rock-Band auf dem wunderschönen Zeltival-Gelände.

Ticket Patti Smith