Ostalgie an der Ostsee

Wie der Zufall so spielt: man verbringt seinen Sommerurlaub an der Ostsee in Mecklenburg, genauer gesagt in einer Camping / Ferienhausanlage und stellt fest, dass am 5.8. die Band Karussell in genau dieser Anlage spielen soll. Von dieser Band hatte ich als Wessi noch nie gehört aber wie ich scnell feststellte, war diese Band zu DDR Zeiten im Osten durchaus angesagt. Und nun zum Zufall: in der aktuellen Ausgabe des Rolling Stone (August 2011) befindet sich ein Artikel über DDR Bands, in welchem der Band Karussell viel Raum eingeräumt wird. So erfahre ich unter anderem, dass die Band bis 1990 existierte und erst 2007 durch den Gründer und Keyboarder Wolf Rüdiger Raschke wieder zurück ins Leben gerufen wurde. Ansonsten geht es in dem lesenswerten Artikel mehr um die Vergangenheit einiger Mitglieder von DDR Bands als IMs im Auftrag der Stasi, als um die Musik - auch Karussell Bandleader Raschke hat übrigends eine Vergangenheit als IM.

Karussell im Jahre 2011 besteht aus 6 Musikern (3 ältere Semester und 3 jüngere Semester), haben vor kurzem eine neue CD veröffentlicht ("Loslassen"), sodass neben den alten "Hits" (die ich nicht kenne), auch neues Material zu erwarten war (das ich ebenfalls nicht kenne). Von den ersten Songs war ich etwas enttäuscht - musikalisch war das gar nicht so schlecht, aber der Sänger und 2. Keyboarder der Band intonierte die Songs nahe am Schlager, was schade war. Nervend waren auch die meisten Ansagen, bei denen sich die Band beim Publikum ohne jeden Hauch von Selbstironie anbiederte sowie der übermässioge Eionsatz der Talkbox in Verbindung mit dem Keyboard. Aber glücklicherweise steigerte sich die Band, als sie offensichtlich ihre alten Klassiker spielten und der Sound sich von den Keyboards deutlich in Richtung Rockgitarre verlagerte. Und bei "Mein Bruder Blues" verblüffte mich vor allem der Sänger - statt nach Schlager klang er plötzlich nach Rockröhre - schade nur, dass das nur von kurzer Dauer war. Aber "Mein Bruder Blues", "Fischlein" und einem Song mit Folkanleihen, die hintereinander gespielt wurden, klangen wirklich gut. Wirklich beeindruckend war übrigends der Gitarrist mittleren Alters, der tagsüber Gitarrenlehrer in Leibzig ist und abends mit Karussell auftritt. Wenn man ihn sieht, denkt man, dass er Sparkassenagestellter kurz vor der Rente ist - aber wenn man in spielen hört, fällt einem die Kinnlade runter - unglaublich was der Mann auf seinen diversen E-Gitarren zaubert.

Insgesamt für mich als jemanden, der an diesem Abend zum ersten Mal Musik von dieser Band gehört hat, ein Konzert mit wenigen Höhen und vielen Tiefen. Die neuen Songs klingen meist (nicht immer) zu sehr nach Schlager, dabei kann die Band auch anders. Den meisten schien es aber durchweg gefallen zu haben, auch wenn es am Anfang etwas gedauert hat, bis Stimmung aufkam. Aber wie schon gesagt: die Band steigerte sich im Laufe des Abends und so ging auch die Stimmungskurve nach oben. Ob sich aber die geschätzten 200-300 Besucher auch eingefunden hätten, wenn es kein kostenloses Konzert gewesen wäre, ist schwer einzuschätzen.