Calw rockt auch 2015, diesmal mit Ray Wilson & Roger Hodgson

Calw rockt mausert sich langsam zu einem meiner Lieblingsfestivals. Die Location ist sicherlich einmalig in Deutschland: wo sonst stellt eine historische Altstadt ihren Marktplatz umrahmt von jahrhundertealten Fachwerkhäusern zur Verfügung um Platz und Zeit für ein Rockfestival zu bieten? Nach meinem ersten Besuch 2002, bei dem es mir zu voll war hat sich dieses Jahr bestätigt, was ich auch 2010 erleben konnte: Platz und Organisation sind jetzt prima - allein die Location macht schon mal Spaß, spiele, wer wolle :)

Dieses Jahr spielte bei hochsommerlichen Temperaturen um 38 Grad
Celsius zunächst Ray Wilson, dem irgendwie letzten Sänger von Genesis nach dem Ausstieg von Phil Collins, bevor Phil Collins für eine Tour wieder zu Genesis zurückkehrte. Die Zusammenarbeit von Ray Wilson und den verbliebenen Genesis Mitgliedern Mike Rutherford und Tony Banks führte zum letzten Studioalbum von Genesis "Calling all station" von 1997 und einer Tour und so war ich irgendwie skeptisch, ob mir Ray Wilsons "Genesis Classics" Konzept gefallen würde, denn das ganze Konzept sieht ja eher nach Genesis Tribute Konzert aus. Los ging es dann mit "Turn it on again", gefolgt von vielen Genesis Songs aus den 80gern, für die Phil Collins verantwortlich zeichnete, Phil Collins Solo-Songs ("Another day in paradise"), ein Mike Rutherford Solo Erfolg ("All I need is Miracle") und auch Peter Gabriel wurde mit "Solsbury Hill" bedacht. Also zunächst also wirklich eine Genesis Tribut Show, die aber vom symphatischen Ray Wilson und seiner 7-köpfigen Band für gute Stimmung sorgte, auch wenn der Sound am Anfang schrecklich war, sich aber besserte. Höhepunkt der ersten Hälhte: "Carpet Crawlers". In der zweiten Hälfte der Show merkte man aber, dass dem guten Ray eine reine Genesis Tribute Show auch nicht reicht und so streute er eigene Songs seiner Post-Grunge Band "Skiltskin" ein, wie "American Beauty" und dem Post-Grunge Klassiker "Inside". Mit Genesis Songs wurde die Show dann beendet und hier konzentrierte er sich nicht auf die Big-Hits sondern spielte 2 Songs vom letzten Genesis Album, auf dem er ja auch zu hören ist, nämlich "Congo" und "Calling All Stations".

Nach Ray Wilson und einer Umbauspause ging es dann kur nach 22 Uhr mit Rodger Hodgson und Band weiter. Also eine weitere Tribute Show, nur diesmal also für Supertramp? Nun, hier ist die Situation fast spiegelverkehrt zu Ray Wilson. Auch wenn Supertramp noch immer unter diesem Namen tourt, ist Supertramp eigentlich Rodger Hodson, der Supertramp 1983 verließ und nicht nur all die großen Hits geschrieben hat, sondern durch seine hohe Tenorstimme natürlich massiv geprägt hat. Faustregel: will man alte Supertramp Hits so hören, wie man sie kennt, sollte man ein Roger Hodson Konzert besuchen, kein Supertramp Konzert.

Los ging es auch mit einem meiner Lieblingssongs vom "Breakfast in America" Album, "Take the long way home": Schon bei der Mundharmonika am Anfang bekommt man Gänsehaut und man staunt, wie gut Roger's Band den "klassischen" Supertramp Sound hinbekommt, inklusive 70ger Jahre Schlagzeug Sound. Und so ging es dann zunächst weiter: Hit reihte sich an Hit (School, Dreamer, The Logical Song...) unterstützt von einer grandiosen Lightshow und einer wirklich exzellenten Band,  bei der Multinstrumentalist Aaron McDonald besonders hervorzuheben ist. Aber der extrem tiefenentspannt wirkende Roger spielte auch Songs von seinen Soloalben, sowohl die Hits, die er Solo hatte ("Had a dream", "In jeopardy"), als auch unbekanntere Sachen vom letzten Solo Album "Open the door"), das jetzt auch schon 15 Jahre alt ist. Das Publikum hatte Spass, die Band auch, sodass zum Ende des Konzerts auf Roger Hodsons Wunsch das Publikum "Happy Birthday" für den Sohn des Bassisten anstimmte, dieser (der Bassist, nicht der Sohn) alles filmte und seinem Sohn nach Los Angeles schickte. Zum Finale dann natürlich 2 Mitsing-Klassiker: "Give a litle bit" und das thematisch an diesem heißen Sommertag gänzlich unpassende "It's raining again".

Fazit: Klar - für mich war das Nostalgie pur: 1979 hattee ich Supertramp auf ihrer "Brekfast in America" Tour in der Kölner Sporthalle gesehen - eines meiner ersten Konzerte überhaupt und nun, 36 Jahre später erlebe ich ein weitgehend identisches Konzert. Aber 2 Sachen gingen mir nicht mehr aus dem Kopf: wie gut manche Texte von Roger Hodson waren und sind: hört man sich "Take the long way home" oder "The logical Song" mal genauer an, fragt man sich, wie sich der damals Mitt- bis Endzwanziger Roger Hodson sich in Situationen versetzen konnte, die eher 40-50 Jährige beschäftigen. Und zum anderen die Frage, wieso so wenig Neues Material von einem solch begnadeten Songwriter zu hören ist. 

Calw rockt Ticket